SPENDENKONTO

IBAN:
DE63 1002 0500 0003 1555 00
BIC: BFSWDE33BER

Bank für Sozialwirtschaft
Verwendungszweck:
Kältehilfe

Ansprechpartner

Ulrich Neugebauer

Nummer für Spendenanfragen:
Tel.: 030-690 33-510

Spenden-Button
Button Mission
Button Gästehäuser

19. Januar 2017

Es ist nicht so, dass uns die Menschen hier unten im Keller unwichtig sind. Ganz im Gegenteil! Es kommt zu Gesprächen, in denen wir erfahren, was unsere Gäste alles erlebt haben, was sie schon alles durchmachen mussten. So ein Gespräch hatte ich auch mit Marcin. Marcin kannte ich schon von meinem FSJ, das ich letztes Jahr hier absolviert habe. Ich habe ihn immer in der Ambulanz getroffen und da hatte ich Zeit mich mit ihm länger zu unterhalten.

Er war ein alkoholabhängiger, ca. 40-Jähriger Mann im Rollstuhl. Im jungen Erwachsenenalter war er im Krieg und hatte davon seine inneren Verletzungen und Kämpfe, die bis zum Schluss anhielten. Es war schwer mit ihm umzugehen, denn er war meistens streitlustig aufgelegt. Entweder die Temperatur des Tees passte ihm nicht, man brachte ihm die Suppe nicht schnell genug oder er musste einfach seine Wut auf die Welt an einem auslassen. Die Wut auf die „heile“ Welt, die ihn jeden Tag spüren lässt, dass er nicht „normal“ war, dass er nicht „heile“ ist und er es alleine nie schaffen wird es einmal zu sein. Aber man konnte auf ihn einreden und alle Versuche zu helfen, hat er abgeblockt.

Marcin war krank. Das wussten wir alle. Marcin war schwer zu verstehen. Und man musste schon stark gepolstert sein, damit man seine Aussagen nicht zu nah an sich ranlässt. Aber jeder kannte ihn und jeder war geschockt, als uns die Nachricht ereilte, dass er am Hauptbahnhof plötzlich verstorben sei. Und ausgerechnet vom 31.12.2016 auf den 01.01.2017. Ausgerechnet am Start des neuen Jahres.

Also lasst uns auf ihn anstoßen, hoffen und beten, dass es ihm da wo er jetzt ist besser geht.

 

_Poetry für Marcin_

Ich saß auf meinem Stuhl
Er rollt und eigentlich finde ich ihn ziemlich uncool
Der Stuhl war mein Leben und mein eigenes Lazarett
Mein Haus, mein Fluch, meine Beine, mein Totenbett
Hin und Her hat er mich getragen
Zur Lehrter und zum Hauptbahnhof
Das eine war mein Pflegehof, das andere ist mein Friedhof

Nett und freundlich war ich selten
Und zwischen mir und innerem Frieden lagen Welten
Ausrasten und Schreien, das konnte ich
Befehle geben, unzufrieden sein, abfällig:
„Ich will nur kalten Tee und nur zur Hälfte gefüllt!“
Und am anderen Abend: „Was gibst du mir kalten Tee? Ich will heißen Tee!“

Mein Zustand? Meistens alkoholhaltig
Deshalb war ich echt gewöhnungsbedürftig
Mein Körper hat gelitten, das konnte man sehen
Das konnte man sich auch denken, beim Vorübergehen

Die Menschen am Hauptbahnhof haben mich ignoriert
Und oft habe ich mich selber blamiert
Und dann habe ich nach oben geschaut und mich gefragt:
„Woher kommt mir Hilfe, wo spüre ich die Kraft, die alles Sein ins Leben gerufen hat?
Meine Schritte tasten umher, sie suchen nach Sicherheit,
in einer Zeit, in der so vieles in Frage steht
und der Blick in die Zukunft mir Angst macht.“

Marcin, ich vertraue darauf, dass Gott dich nicht aus den Augen seiner Liebe verloren hat. Ich hätte dir gerne gesagt: Die Gefahren überall in der Welt lauernd, können dir nichts anhaben, denn das Licht des Himmels wird sie vertreiben bei Tag und bei Nacht.

Marcin H. 23.10.1973 – 31.12.2016

 geschrieben von Lydia Dürr