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11. Dezember 2016

An Tagen wie diesen........

Seit Tagen träume ich, verarbeite ich. Ich erwache und nach ein paar Sekunden ist mir klar, dass ich doch schon längst wieder in meiner heilen und warmen Welt angekommen bin.

Nach einem schönen August in diesem Jahr in der Ambulanz und teilweise Straßenambulanz konnte ich mich von so manchem Vorurteil gegenüber obdachlosen Menschen befreien. Dies war auch der Sinn meines Urlaubes. Sehr schnell habe ich mich dann entschlossen bei dem Projekt "Berlin bei Nacht" im Dezember mitzuwirken.

Foto: Sebastian Dähne

Jedoch war alles anders: Viele unbekannte Mitarbeiter und vielzählige Aufgaben. Ich sollte am ersten Abend in der Kleiderkammer eingeteilt werden. Ein etwas undankbarer Job, wie ich im Laufe der Stunden feststellen konnte. Da es eine Notkleiderkammer war, sollte nach Möglichkeit nur in wirklichen Notfällen Kleidung ausgegeben werden. Manchmal ist die Jacke zu dünn oder es wird eine gesamte Kleidergarnitur nach einer Läusebehandlung benötigt. Nach so manchen Diskussionen, ob Notfall oder nicht, schlichen sich bei mir immer wieder so kleine Wutmomente ein, wenn ich nichts recht machen konnte. Schöne, sehr warme Jacken wurden abgelehnt weil sie nicht die 100 % ige Passform hatten. Nachdenklich ging ich schlafen. Ich wollte keine schlechten Gefühle aufkommen lassen. Es gab da ja auch die schönen Momente der echten Freude und das sollte überwiegen.

Den nächsten Einsatz hatte ich als medizinische Helferin, ich durfte die Gäste aufschreiben, die eine medizinische Behandlung benötigten. Als ich im Gastraum war und mich umschaute, sah ich einen jüngeren Gast. Er beobachtete, wie ein anderer Gast seine halbleere Suppenschüssel an der Geschirrabgabe hinstellte. Er lief darauf zu und wollte sich die Schale nehmen. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er sich doch eine heiße Suppe holen könne und zeigte auf die Theke. Er sagte: „Ich esse lieber die kalte Suppe, sonst muss ich so pusten. Sie ist mir zu heiß, das mache ich immer so“. Ich konnte ihn nicht davon überzeugen und ein anderer Mitarbeiter auch nicht. Er aß die kalte "gebrauchte" Suppe.

Am folgenden Abend war ich für die Essensausgabe zuständig und der Gast vom Vorabend stand vor mir. Zuerst unschlüssig ließ er andere Gäste vor. Dann fragte er mich: "Was kostet das?" Mir kamen fast die Tränen. Er hat die kalte Suppe des anderen Gastes nur gegessen weil er kein Geld hatte, aber trotzdem Hunger. Warum hab ich ihm das nicht am Vorabend ausdrücklich gesagt, dass alles umsonst ist? Ich ging davon aus, dass alle es wissen, bekam aber trotzdem Schuldgefühle.

Zettel mit Aufschrift: Herzlich Willkommen

Der Abend im Kältebus war unglaublich schön und dennoch schwer zu beschreiben. Wir nahmen am Bahnhof Zoo fünf Gäste mit verschiedenen Anliegen mit. Trotz Sorgen und Krankheit herrschte eine lustige Stimmung im Bus. Als wir am Gefängnis vorbeifuhren wurde eine kleine Anekdote erzählt, die alle zum lachen brachte. Coole Musik im Radio und zwei begnadete "Pfeiffer" an meiner Seite, die jeden Ton dazu trafen. Die Luft war jetzt nicht so berauschend, oder etwa doch? Ich zog es vor, durch den Mund zu atmen. Was solls.

Mein Aufenthalt endete dann mit dem Einsatz in der nächtlichen Ambulanz. Auch hier konnte ich meinen Horizont erweitern. So viele Menschen – so viele Schicksale. Oft erzählten schlimme Narben am ganzen Körper mehr als tausend Worte.

Ursula Wemmer, Medizinische Fachangestellte
„Berlin bei Nacht`lerin“